In dem Maße, wie sich die Pflegehäuser für Menschen mit Epilepsie spezialisierten, stellte sich die Frage, wo die schwerst mehrfachbehinderten Menschen mit Epilepsie unterkommen sollten. Es bildete sich eine Tendenz heraus, die „Schwachen“ und „Abgebauten“ in der neu entstehenden Zweiganstalt Eckardtsheim in der Senne unterzubringen. So wurde für „epileptische Knaben“, deren Krankheit mit „Verblödung“ verbunden war, 1890 in der Senne das Haus Ophra erbaut. Der Name des Hauses spielt auf die Eiche bei Ophra an, wo Gideon der Engel des Herrn erschien – auch das Haus Ophra stand in der Nähe einer alten Eiche.
Die letzten Reste des alten Gebäudes wurden 2003 abgerissen. Im Neubau von 2002 leben schwerst mehrfachbehindete Menschen.
Hungersterben im Ersten Weltkrieg
1915, mitten im Ersten Weltkrieg, feierte das Haus sein 25-jähriges Bestehen. Friedrich v. Bodelschwingh d.J. veröffentlichte aus diesem Anlass eine kleine Schrift unter dem Titel: „Unter denen, die vom Krieg nichts wissen“: „Niemand darf denken, Ophra wäre ein trübseliges Haus. Gewiß – die Gedankenwelt der Jungen ist nur klein, aber von diesem kleinen Kreis ist ein viel größerer Teil mit Freuden angefüllt als bei vielen klugen und gesunden Menschen. Es sind Kinder, die andere lieb haben und sich lieb haben lassen!“ Mit großer Hingabe kümmerten sich die Hauseltern und die pflegenden Diakone um die Kinder.
Doch im „Steckrübenwinter“ 1916/17 griffen Unterernährung, Krankheit und Tod auch in Eckardtsheim um sich. Am verheerendsten wirkte sich der Hunger bei den Epilepsiekranken aus. Für die Kinder von Ophra waren die Rationen besonders unzureichend. Wie überall in Bethel, so forderte die Hungersnot auch hier „gerade unter den Kränksten und Schwächsten ihre ersten Opfer“ – bis 1920 starben 95 Kinder aus Haus Ophra.
Eine neue Bedrohung
Eine Bedrohung ganz anderer Art tat sich im Zweiten Weltkrieg auf.
Schon in den 1930er Jahren musste sich Bethel gegen Bestrebungen des
NS-Regimes zur Wehr setzen, die Anstalten für Epilepsiekranke
kurzerhand zu schließen. Viele Menschen mit Epilepsie fielen dem
Zwangssterilisierungsprogramm zum Opfer. Als die braunen Machthaber
unter dem Deckmantel der „Euthanasie“ einen in der Weltgeschichte
einzigartigen Massenmord an hunderttausenden von Menschen mit
psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen ins Werk setzten,
waren die Menschen mit Epilepsie wieder in höchster Gefahr. Die v.
Bodelschwinghschen Stiftungen, allen voran Pastor Friedrich v.
Bodelschwingh d.J., wehrten sich nach Kräften, konnten aber nicht
verhindern, dass eine von Berlin gesandte Ärztekommission insgesamt 446
Patienten in Bethel selektierte, davon 117 in Eckardtsheim, 38 aus Haus
Ophra. Der Stopp der „Aktion T4“, der Massenvergasung von über 70.000
Patienten aus den deutschen Heil- und Pflegeanstalten, im August 1941
verhinderte den Abtransport.
Karte
Ophra, Eckhardtsheim