Bodelschwingh ging davon aus, dass es nicht die wichtigste Aufgabe einer christlichen Anstalt sei, leiblich gesund zu machen. Zwar sollte gute medizinische Versorgung geleistet werden, aber, so Bodelschwingh, Medizin könne man überall nehmen. Bethels Ziel reiche weiter – in die Ewigkeit. Die eigentliche Aufgabe sah er darin, in der Anstalt eine „unter nicht geringen Leiden dem Tode zueilende” Gemeinde der frühzeitig Sterbenden zu sammeln.
Dieser Gedanke ging auf die harte Wirklichkeit epileptischer Erkrankungen ein: Medizinische Hilfe war kaum möglich. Um 1900 erreichten Betheler Epilepsiepatienten nur ein durchschnittliches Lebensalter von etwa 31 Jahren. Diakonissen und Diakone, Ärzte und Pastoren sollten deshalb ihre „Pflegebefohlenen“ rechtzeitig auf die Ewigkeit vorbereiten.
Bodelschwingh hielt es keineswegs für ein Unglück, dass erheblich mehr Patienten in Bethel starben als gebessert oder geheilt entlassen wurden. Bei jenen, die nach Hause zurückkehrten, sah er die Gefahr, dass sie von der Frömmigkeit Bethels wieder abrückten – und dadurch Schaden an ihrer Seele nähmen. Über die Entlassung der Patienten schrieb er:
„… das müssen wir freilich sagen, dass unsere Freude friedevoller ist und ohne Enttäuschung bei der weitaus größeren Schar, die nicht in die irdische Heimat, sondern nur in die obere Heimat heimkehrt!”
Wer an Epilepsie erkrankte, genoss in Bodelschwinghs Augen einen Vorzug, weil er von Gott in besonderer Weise zur Buße erzogen wurde. Der segensreiche Zweck der Epilepsie lag für ihn darin, dass kaum medizinische Hilfe möglich war:
„Wenn es ... unfehlbare Heilmittel gegen diese, wie überhaupt gegen jede Krankheit gäbe, so wäre dadurch doch Gottes Gnadenabsicht bei der Zusendung einer Krankheit zunichte gemacht. Die Menschen würden dann, statt Gott selbst zu suchen, diese Heilmittel zu ihrem Gott machen, und jeder Segen des Leidens wäre verloren.“
Zum besonderen Segen der Epilepsie rechnete Bodelschwingh den Aufenthalt in Bethel. Wer am christlichen Leben der Anstalt teilnahm, hatte nach seiner Auffassung alles, was er brauchte, um ewig gesund zu werden.
„Innigere Gemeinschaft mit Jesu, [...]
eine Liebe [...] zu den Leidensbrüdern, [...]
Geduld in der Trübsal, [...]
Sterbenslust und Sterbenskraft:
das sind schon hienieden selige Früchte solches von Gott
aufgelegten Kreuzes,
köstlicher als alle Freuden dieser Welt und ihre Schätze.“