Die Gründung des Betheler Kandidatenkonvikts hing unmittelbar mit dem Engagement in der äußeren Mission zusammen. Es gab zwar schon seit 1888 eine kleine Gruppe von Kandidaten der Theologie, die unter dem Dach der Diakonenanstalt Nazareth „Dienst in der blauen Schürze“ in Pflegeheimen und Werkstätten verrichteten – und diese lose Gruppe war auch schon als Kandidatenkonvikt bezeichnet worden. Die Bitte der EMDOA, Bodelschwingh möge ihr Krankenpfleger für das Krankenhaus auf Sansibar zur Verfügung stellen, und eine vertrauliche Botschaft Kaiser Wilhelms II., die evangelische Kirche möge sich stärker als bisher in den „deutschen Schutzgebieten“ engagieren, führten dazu, dass im Jahre 1890 das Kandidatenkonvikt formell gegründet wurde. Es hatte seinen Sitz im Haus Klein-Hermon. Das Konvikt diente fortab vor allem der Vorbereitung von Theologen auf den Missionsdienst. Das 1880 erbaute Haus Klein-Hermon – benannt nach dem biblischen Berg Hermon – ist 1976 abgerissen worden.
Die Bethelmissionare
Ganz bewusst brach Bodelschwingh bei der Auswahl, der Ausbildung und der Führung der Missionare mit der Praxis der älteren Missionsgesellschaften. Die Missionare wurden von Bodelschwingh handverlesen. Er griff dabei – im Unterschied zu anderen Missionsgesellschaften – ausschließlich auf examinierte Theologen zurück, Söhne von Pastoren, Lehrern an höheren Schulen, Gutsherren und Großgrundbesitzern. Dies hatte beinahe zwingend einen freieren Führungsstil zur Folge. Dem akademisch gebildeten Missionar standen die in den Missionsdienst entsandten Nazarethdiakone und Sareptadiakonissen zur Seite.
Die Theologische Schule und die Mission
Auch bei der Gründung der Theologischen Schule im Jahre 1905 spielte das Motiv eine Rolle, Theologen für die äußere Mission zu gewinnen. 1912 wurde Johannes Warneck als Dozent für Missionswissenschaft an die Theologische Schule berufen. Gleichzeitig wurde der Theologischen Schule eine Missionsstudienanstalt angegliedert, in der auch angehende Missionare mit Mittlerer Reife ausgebildet wurden. Die Leitung dieser Missionsanstalt lag bei Gottfried Simon, der an der Theologischen Schule Neues Testament lehrte und – wie auch Johannes Warneck – zuvor im Dienst der Rheinischen Missionsgesellschaft auf Sumatra tätig gewesen war.
Die Missionsanstalt, die nach dem Ersten Weltkrieg nicht fortgeführt wurde, hatte ihren Sitz in den Häusern Troas und Damaskus. Die beiden Häuser – benannt nach wichtigen Stationen in der Biographie des Apostels Paulus – sind in den 1970er Jahren abgerissen worden.
„Mission ohne Hinterland“ – neue Wege der Spendenwerbung
Um die finanziellen Mittel aufzubringen, die für die Arbeit in Ostafrika nötig waren, musste die EMDOA neue Wege gehen. Denn die älteren Missionsgesellschaften hatten das Deutsche Reich unter sich aufgeteilt, um sich bei der Spendenwerbung nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Sie wachten eifersüchtig darüber, dass die neue Missionsgesellschaft nicht in ihren Gebieten wilderte. Die EMDOA bildete Freundeskreise, veranstaltete Lotterien, Basare und Konzerte, stellte Dankopferdosen auf und gründete einen eigenen Pfennigverein zur Sammlung von Kleinstspenden.
Als 1899 in Ostafrika als Folge einer lang anhaltenden Dürre eine große Hungersnot ausbrach, berichtete einer der Missionare nach Bethel, er versuche, den Hungernden dadurch einen kleinen Verdienst zu schaffen, dass er sie Steine zum Bau einer Kirche herbei tragen lasse. Bodelschwingh las diese Mitteilung während einer Eisenbahnfahrt, diktierte seinem Sohn Gustav an Ort und Stelle einen flammenden Aufruf unter dem Titel „Brot für Steine“ in die Feder und stellte nach dem Schlusspunkt des Diktats selbstzufrieden fest: „So, nun habe ich hunderttausend Mark.“ Am Ende sollten es sogar dreihunderttausend Mark sein.
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Theologische Schule
Kandidatenkonvikt