Gegen Ende der 1920er Jahre setzte sich die Medizin mehr und mehr im Alltag der v. Bodelschwinghschen Stiftungen durch. Auch die Arbeit an Menschen mit Epilepsie erlebte jetzt einen Entwicklungsschub. Im Mittelpunkt stand das 1931/32 errichtete „Aufnahmehaus für Epileptische“ Mara. Der Name, der mit dem hebräischen Wort für „bitter“ zusammenhängt, leitet sich von der Oase Mara her, deren bitteres Wasser Gott für das durstige Volk Israel süß werden ließ.
Als „Spezialkrankenhaus für Epileptische“ sollte Mara die Hemmschwelle senken, die bis dahin viele Menschen mit Epilepsie daran hinderte, sich in einem frühen Stadium in Anstaltsbehandlung zu begeben. Epilepsiekranke, die nach Bethel kamen, sollten zunächst acht Wochen lang in Mara untersucht und beobachtet werden, um eine individuelle Therapie für sie zu entwickeln. Diese sollte dann in den Pflegehäusern fortgeführt und durch eine „psychotherapeutische, auch arbeitstherapeutische Lebensgestaltung“ ergänzt werden. Mara verfügte bereits über Laboratorien zur Stoffwechsel- und Blutuntersuchung sowie über eine Diätküche.
Das Haus ist heute Sitz des Betriebsärztlichen Zentrums.
Auf dem Weg zur Klinik
1946 richtete man mit Hilfe der pharmazeutischen Industrie in Mara eine kleine „Forschungsabteilung“ ein. Hier stand einer der ersten Elektroencephalographen Deutschlands, ein Ungetüm, das einen ganzen Raum einnahm. Die Elektroencephalographie, die Messung der bioelektischen Aktivität der Hirnzellen, wurde 1924 von dem Neurologen Hans Berger entwickelt und war schon bald ein unentbehrliches Hilfsmittel der Forschung zur Epilepsie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Mara einen „mehr und mehr klinischen Charakter“ an. Eine Palette neuartiger Medikamente, die in den USA entwickelt worden waren und – nach einer Studienreise des Chefarztes Prof. Dr. Gerhard Schorsch – auch in Bethel eingeführt wurden, zog beachtliche Behandlungserfolge nach sich. Bei einem Großteil der Patienten ging die Häufigkeit der Anfälle erheblich zurück – von durchschnittlich elf auf fünf im Monat. 1953 konnte bereits mehr als die Hälfte der Patienten, die in Mara aufgenommen wurden, nach mehrwöchiger Behandlung wieder nach Hause entlassen werden. Die Zahl der Neuaufnahmen stieg daher sprunghaft an. Weil die neuen Medikamente teilweise nicht ungefährliche Nebenwirkungen hatten, mussten zugleich die ärztliche Überwachung und die Laboruntersuchungen intensiviert werden. Schon Mitte der 1950er Jahre genügte das alte Gebäude den steigenden Anforderungen nicht mehr. Es wurde daher über einen Neubau nachdacht.
‚Ringende Menschen‘: Ein Zeitdokument
Schon früh erkannten die v. Bodelschwinghschen Stiftungen die Möglichkeiten des Mediums Film für die Öffentlichkeitsarbeit.
Im Frühjahr 1933 startet die Filmstelle Bethel ein neues Filmprojekt. Es soll ein „sachlicher Spielfilm“ werden, der die verschiedenen Einrichtungen und Arbeitsfelder der Anstalten vorstellen soll.
Überschattet wird der Produktionsprozess von der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Die Uraufführung des Stummfilms „Ringende Menschen. Die Tragödie einer Familie“ findet am 22. September 1933 statt.
Obwohl „Ringende Menschen“ mit einem Bekenntnis zum Gedanken der Eugenik endet, verweigert ihm die Reichsfilmkammer das Prädikat „volksbildend“.
Karte
Alt-Mara